Er wird als das größte Säurefass der Welt bezeichnet und es gibt weltweit einige wenige Plätze wie diese hier, an denen die Kraft unserer Erde so deutlich sichtbar und spürbar ist!
….Es ist stockfinser und die aufsteigenden Schwefeldämpfe zwingen uns dazu die Atemschutzmasken noch fester an unsere Gesichter zu pressen während einige Bergarbeiter flotten Schrittes mit ihren Stirnlampen an uns vorbeimarschieren. ….Wir befinden uns am Ijen Vulkan im Osten der Insel Java in Indonesien und haben den gleichen anstrengenden Weg vor uns wie die Bergarbeiter.
Aber alles der Reihe nach…
Nach den wunderbaren Erlebnissen mit den Orang Utans im Dschungel auf Borneo ging es zurück auf die Insel Java. Auf die nächsten Tage freute ich mich ebenfalls sehr, es standen einige Vulkanbesteigungen auf unserem Programm mit dem absoluten Highlight die Schwefelarbeiter vom Ijen Vulkan zu besuchen!
Der Wecker klingelt kurz vor 12 Uhr Mitternacht! So fühlen sich also zwei Stunden Schlaf an! ….wobei es wahrscheinlich nicht mal zwei Stunden waren, denn die Ungeduld ließ mich immer wieder aufwachen und auf die Uhr blicken. Hundemüde und trotzdem irgendwie hellwach vor lauter Aufregung schlüpfe ich rasch in meine Kleidung und putze mir schnell die Zähne. Kurze Zeit später wartet auch schon unser Fahrer mit unserem Guide Bowo auf uns vorm Hotel. Eine ca. 1,5-stündige Autofahrt steht jetzt mitten in der Nacht noch vor uns. „You can sleep, we have enough time!“ empfängt uns Bowo. Ja, klar! Als wäre jetzt noch an Schlaf zu denken….!! Still hängen wir unseren Gedanken nach, mir fallen nacheinander die Berichte und Geschichten ein, die ich vorab über den Vulkan und die Miner (Bergarbeiter) gelesen hatte.
Gegen 1:30 nachts erreichen wir den Parkplatz am Fuße des Ijen Vulkans. Kurz bevor sich unser Fahrer und Bowo tatsächlich nochmal aufs Ohr hauen, übergibt uns unser Guide in die Hände eines ehemaligen Schwefelarbeiters, der seit einiger Zeit als Bergführer arbeitet. Dieser reicht jedem von uns eine Atemschutzmaske und dann geht es auch gleich los! Was vor uns liegt: ein ca. 1,5-stündiger steiler Aufstieg bis zum Kraterrand des Vulkans und danach ein Abstieg bis zum Kratersee in der Caldera!
Der gewaltige Kawah Ijen zählt zu einem der aktivsten Vulkane der Welt. Im Inneren seiner gewaltigen Caldera befindet sich ein ca. 200 m tiefer Kratersee, der aus säurehaltigem, türkisblauem Wasser besteht und einem riesigen heißen Fumarolenfeld aus dem an vielen Stellen schwefelhaltiger Wasserdampf (Solfatare) ausströmt. Und genau das ist das Besondere am Ijen, denn hier wird Schwefel abgebaut – an einem der gefährlichsten Arbeitsorte der Welt! Die bis zu 250 °C heißen Fumarolen bilden die größte Schwefelansammlung Indonesiens, der Schwefeldampf hat dort inzwischen bis zu 10 m dicke Ablagerungen gebildet.
Genau an diesen schwefelhaltigen Austrittsstellen wurde 1968 eine Schwefelmine eröffnet, in der bis heute unter widrigsten Bedingungen der Schwefel abgebaut wird. Wie sich später noch herausstellen soll, eine Arbeit, die nicht nur gefährlich sondern auch lebensfeindlich ist! Offiziell ist es deshalb auch verboten dort hinab zu steigen, aber weil wir in Indonesien sind, kann man es eben doch tun – auf eigene Gefahr. Und genau das haben wir auch vor!
Dicke Metallrohre befördern die Gase aus den Tiefen des Vulkans heraus. Die Schwefelgase werden dann abgekühlt, sodass sich der Schwefel verflüssigt und kurz darauf in fester Form abgebaut werden kann. Die chemischen Reaktionen, die dabei ablaufen wenn sich der überhitzte Schwefel an der Luft entzündet, sorgen für ein einzigartiges Naturschauspiel, das man nur bei Nacht bestaunen kann: blaues Feuer! Dieses Naturschauspiel ist fast einzigartig auf dieser Welt und der Grund für unsere körperlichen Strapazen mitten in der Nacht!
Schritt für Schritt….
Kräftezehrend, das beschreibt diese nächtliche Wanderung wohl am besten. Nur sehr wenig geschlafen, körperlich entkräftet und doch voller Tatendrang kämpfen wir uns den steilen Weg zum Kraterrand hinauf. Unter dem Dach eines einzigartigen sternenklaren Himmels geht es stetig bergauf, Schritt für Schritt. Obwohl es von den Temperaturen her ziemlich frisch ist, schwitze ich und ziehe mir die Daunenjacke wieder aus. Ein kurzer Schluck von meiner Wasserflasche und ein kurzes Durchschnaufen, bevor es wieder weiter geht. Es ist stockfinster und im Schein unserer Stirnlampen sehen wir nur die paar Meter vor uns und können nur erahnen welche Landschaft uns eigentlich umgibt. Immer wieder überholen uns einige Miner, sie sind am Weg zu ihren Arbeitsplätzen. Ich bin mir gerade nicht sicher ob die Idee dieser nächtlichen Wanderung die beste war, aber ich kämpfe weiter. …Und bereue sehr den Fotorucksack auf meinem Rücken vorher nicht etwas entleert zu haben!
Am Kraterrand angekommen
Je höher wir kommen, desto stärker können wir die Schwefeldämpfe riechen wenn der Wind in unsere Richtung dreht. Irgendwann wird der Weg plötzlich fast eben und wir kommen doch oben am Kraterrand an. Ich bin happy die erste Etappe geschafft zu haben! Erkennen kann ich immer noch nicht viel mehr, es ist immer noch finster und sehr nebelig. Aber es ist ziemlich viel los hier heroben, die vielen Stirnlampen leuchten in alle Richtungen. Neben den vielen Bergarbeitern tummeln sich auch noch jede Menge Touristen, die aus dem gleichen Grund wie wir hier sind.
Meine Knie zittern nach dieser Anstrengung und mir ist leicht schwindelig. Eigentlich will ich eine kleine Pause einlegen und mich kurz ausrasten als mich unser Bergführer aus meinen Gedanken reißt: „Wanna go down?“, fragt er und wir nicken nur obwohl ich mir für einen kurzen Moment nicht sicher bin, ob ich den Abstieg in den Krater auf mich nehmen möchte. Es ist mittlerweile ungefähr 3:30 Uhr, das blaue Feuer würde noch eine Zeit lang brennen. Also gehe ich den anderen einfach hinterher. „Dangerous – Visitors are prohibited going down on crater„ lese ich noch auf einem großen Schild im Vorbeigehen. Aber fast alle gehen runter, also gehen wir auch ….Wir ziehen uns die Atemschutzmasken fester ans Gesicht, immer wieder wehen die Schwefeldämpfe nach oben und hüllen uns ein. Die Augen beginnen sofort zu tränen und trotz Schutzmaske muss ich immer wieder husten.
Langsam, ganz langsam, bahnen wir uns die ersten paar Meter den Weg nach unten. Es ist rutschig und wir treten immer wieder Geröll auf dem steinigen Pfad zur Seite. Mit jedem Schritt wird mir mulmiger und ich erkenne den steilen Abgrund schemenhaft neben mir. Immer wieder müssen wir auf dem sowieso schon sehr schmalen Weg den Arbeitern ausweichen, die natürlich Vorrang haben. Sie kommen uns entgegen und bringen die ersten Ladungen Schwefelbrocken aus dem Krater hoch.
Meine Knie fangen wieder zu zittern an, meine Höhenangst macht mir hier einen Strich durch die Rechnung. Ich merke langsam wie mein Kreislauf anfängt zu versagen. Ich hatte am Abend zuvor auch nichts gegessen, was die Sache wohl noch schlimmer macht. Als sich der nächste Bergarbeiter mit der schweren Last an mir vorbeidrängt und nahe am Abgrund herumbalanciert, beschließe ich doch wieder umzukehren und oben am Kraterrand auf meine Freunde zu warten. Mein Kreislauf funktioniert zu dieser Uhrzeit nicht so wie ich es gerne hätte und ich muss mir wohl ober übel eingestehen, dass es in dem Moment einfach zu viel für mich ist. Und so setze ich mich oben an den Kraterrand, beobachte das Geschehen rund um mich und warte bis es dämmert.
Wieder und wieder kommen Schwefelarbeiter hustend aus dem Krater hoch. Was die Männer hier für eine Arbeit leisten, ist einfach unglaublich! Ich hatte vorab viel darüber gelesen, aber es nun mit eigenen Augen zu sehen, ist einfach unbeschreiblich! Unbeschreiblich sind vor allem auch die widrigen Bedingungen unter denen die Bergarbeiter den Schwefel abbauen. Mit Eisenstangen und teilweise mit bloßen Händen brechen sie den gerade erst erkalteten, gelb leuchtenden Rohstoff aus dem Boden. Sie legen die Schwefelbrocken in Bambuskörbe, die sie dann schultern um sie aus dem Krater hochzuschleppen und anschließend den ganzen Berg wieder hinunter ins Tal direkt zu der Verladestation zu marschieren.
Jeder dieser Männer ist schwer beladen, bis zu 80 kg Schwefel tragen sie. An der Stelle, wo der Korb auf ihren Schultern aufliegt, hat die Haut Striemen gebildet und ist völlig vernarbt. Mein Fotorucksack wiegt nicht mal lächerliche 9-10 kg und ich plagte mich beim Aufstieg… Manche Männer haben eigene kleine Schubkarren, mit denen sie die Schwefelbrocken ins Tal bringen. Für eine der Schwefelladungen erhalten die Arbeiter nur wenige Euros. Bis maximal drei Fuhren schafft ein Arbeiter pro Tag.
Tag für Tag bringen die Bergarbeiter hier ihr Leben in Gefahr um die Familie zuhause ernähren zu können. Der Schwefel ist es, der die Männer und ihre Familien am Leben hält und der sie zur selben Zeit auch ganz langsam tötet… Wegen der giftigen Dämpfe wird kaum einer der Arbeiter älter als 50 Jahre. Nicht jeder Bergarbeiter kann sich eine Atemschutzmaske leisten, viele von ihnen pressen sich stattdessen nasse Tücher ins Gesicht. Wir sehen Arbeiter, die in Flip-Flops und löchrigen Socken herummarschieren oder andere in viel zu großen Gummistiefel…. Ich bin überwältigt und zutiefst beeindruckt. Mittlerweile haben sich auf meine Freunde zu mir gesellt und auch Reini, der einzige von uns, der direkt beim blauen Feuer mit unserem Bergführer unten war, ist sprachlos. Und obwohl ich das „Blue fire“ letzten Endes doch nicht mit eigenen Augen gesehen habe, bin ich extrem fasziniert von Reinis Bildern und Schilderungen!
Es ist mittlerweile hell geworden. Eigentlich wollten wir hier heroben auch den türkisblauen Kratersee bei Sonnenaufgang fotografieren. Daraus wird nichts, es ist viel zu nebelig und der See kaum zu sehen. Egal. Denn zum Beobachten und Entdecken gibt es am Vulkankrater ohnehin genug und als bereits alle anderen Touristen wieder verschwunden sind, sind wir es, die versuchen mit den Arbeitern ins Gespräch zu kommen und auch die Umgebung ein bisschen näher erkunden.
Der Rückweg
Als es 7 Uhr ist, beschließen wir mit unserem Bergführer den Rückweg anzutreten. Begleitet von einer wunderbaren Aussicht auf die umliegende vulkanische Landschaft hängen wir unseren Gedanken nach und marschieren den steilen Weg wieder abwärts.
Wir begleiten einen der vollbeladenen Arbeiter, der sich mit seiner kostbaren Ladung den Weg ebenfalls hinunterkämpft. Alle paar Meter stellt er seine Bambuskörbe ab und legt eine Verschnaufpause ein. Wir leisten ihm Gesellschaft und begleiten ihn bis fast ins Tal.
Es ist gerade mal 8 Uhr am Morgen als wir den Parkplatz wieder erreichen. Eine Uhrzeit, zu der man sonst erst in den Tag startet! Es fühlt sich ziemlich verrückt an! Unser Guide Bowo grinst uns schon von Weitem an, er sieht uns an, dass uns das soeben Erlebte die Sprache verschlagen hat. Vor all der Anstrengung hatten wir auch nicht bemerkt, wie hungrig wir eigentlich waren. Bowo gibt jedem von uns ein mitgebrachtes Frühstückspaket, das wir dankbar annehmen und sofort verschlingen. Still schweifen meine Blicke immer wieder in die Richtung des Vulkans. Ich bin erledigt aber fühle ein starkes Glücksgefühl und große Dankbarkeit. Dankbar darüber, was ich alles erleben durfte und nicht musste!
Der Ijen hat mir im wahrsten Sinne des Wortes den Atem geraubt und mich auch an meine physischen Grenzen gebracht. Auch jetzt – Monate später – bin ich eigentlich immer noch sprachlos ob dieser unglaublichen Eindrücke und sehe mir fasziniert meine Bilder an!
2 Comments
Hello Sonja, ganz toller Bericht vom Ijen! Es weckt bei mir tolle Erinnerung. Du hast es super beschrieben. Schade, dass du den Abstieg im Krater nicht machen konntest. Wir waren schon am Nachmittag im Krater gegangen und konnte somit den Sonnenuntergang bestaunen. Es war so ein spezielles Licht. So eine Lichtstimmung habe ich noch nie erlebt. Auf meine Webseite sind leider noch nicht viel Bilder vom Ijan. Ich wünsche dir weiter hin viele tolle Abenteuer und gutes licht. Bernard
Danke, Bernard, freut mich wenn dir der Bericht gefällt! Es hat mich wirklich nachhaltig sehr beeindruckt….! Ich hab so das Gefühl als „muss“ ich da nochmal hin. 😉